Sonntag, 16. Mai 2010

Schatten im Paradies.....





Jeder hatte uns gewarnt, aber natürlich dachten wir, das passiert allen anderen, nur nicht uns.......Und dann kam der 15. Mai . Wir freuten uns auf Philipp,mit dem wir uns, nach seiner Ankunft aus München, an der Plaza de Armas verabredet hatten. Unser erster Besuch aus Deutschland - das mußte natürlich mit einem zünftigen Completo gigante und einer cerveza gefeiert werden. Kurz vorher hatten wir die Charango gekauft ( südamerikanische "Zwerg-Gitarre" , einer Ukulele ähnlich ), die er sich gewünscht hatte und zwischen beiden war es Liebe auf den ersten Blick...äh Ton :) Die Ober zwinkerten anerkennend herüber, als Philipp in die Saiten griff. Er wollte noch diese Nacht mit dem Bus weiter nach Coronel reisen, um mit seinen chilenischen Freunden so bald wie möglich alle Hilfs- und Unterstützungsmaßnamen zu besprechen und die Verteilung der Spendengelder zu organisieren.
Um Zeit zu sparen und damit er seinen schweren Rucksack nicht die ganze Zeit schleppen mußte, brachten wir ihn am Abend mit unserem Auto in die Innenstadt, parkten an einer größeren Strassenkreuzung, an der wir schon öfters unser Auto abgestellt hatten und bummelten durch die belebten Gassen. Am Cerro Cristobal suchten wir uns ein ruhiges Plätzchen und genossen den Blick über die erleuchtete City. Dann wurde es Zeit, zurück zu gehen. Am Parkplatz angekommen, trauten wir unseren Augen nicht - das Auto war verschwunden ! Bis wir wirklich begriffen hatten, dass es nicht mehr da war, dauerte es ein Weilchen. Der Verstand wollte einfach nicht glauben, was wir sahen, oder besser NICHT sahen...
Mit einem Taxi fuhren wir zur nächstgelegenen Polizeistation. Dort stand unser tapferer weisser Peugeot mit eingeschlagenem Rückfenster, der Kofferraum gähnend leer. Mit Charango und Rucksack waren auch Philipps Kleidung, die Kreditkarten, Reiseschecks, Flugtickets, der Führerschein, das Handy , die Videokamera, ein Geldbeutel mit ca. 300 Euro Bargeld, Geschenke für die engsten Freunde, ja einfach alles verloren......
Wir waren offenbar beobachtet worden, als wir den wuchtigen Rucksack in unseren Kofferraum legten, anders kann es nicht sein, denn durch die Abdeckklappe sieht niemand, was sich dort befindet. Der Polizeistreife fiel dann wohl die völlig kaputte Scheibe auf und sie schleppte das Auto ab. Bevor wir nur irgendetwas zu Protokoll geben konnten, mussten wir erstmal die Abschleppgebühr bezahlen. Es erwies sich als Segen, dass Philipp perfekt chilenisch spricht und unser blaues Diplomaten- Nummernschild für dezente Aufregung sorgte, sonst sässen wir wahrscheinlich noch heute den sehr korrekten Beamten gegenüber. So konnten wir unser verletztes Auto mit nach Hause nehmen und Philipp per skype und Internet alle Karten und Schecks sperren lassen. Gottseidank war noch kein Geld abgehoben worden und die Hauptsumme schlummerte noch auf dem Münchner Konto. Todmüde fielen wir dann nach Mitternacht in die Betten und heute Mittag sass Philipp dann endlich im Bus Richtung Süden. Wir hatten also Glück im Unglück, es hätte weit schlimmer kommen können. Dennoch bleibt eine Traurigkeit, eine Enttäuschung.......

Montag, 3. Mai 2010

Mein erstes Rodeo !





Seit ich vor 6 Monaten nach Chile gekommen war, hatte ich mir gewünscht, ein Rodeo erleben zu können. Nun war es endlich so weit ! Und dazu mussten wir nicht mal aufs Land fahren - nein , gleich in unserem Nachbar - Stadtteil Las Condes fand am letzten Wochenende eine Rodeo Veranstaltung mit Dressur Prüfung statt. Zufällig hatten wir ein Plakat entdeckt und fanden das etwas versteckt liegende Gelände nach einigem Suchen Wir waren tatsächlich die einzigen "Nicht-Chilenen", die an diesem Tag den beliebten Natinalsport dort bewundern konnten ! Nach welchen komplizierten Regeln jedes Paar bewertet wurde, haben wir noch nicht vollständig eruieren können, aber die Aufgabe der beiden Huasos ( = chilenische Cowboys ) besteht darin, ein Kalb möglichst genau durch die halbmondartige Arena zu lenken und es an der dick abgepolsterten Rampe für einen Moment zum Liegen zu bringen. Dazu ist eine absolute Beherrschung der Pferde, eine blitzschnelle Reaktion, Mut ( die Kälber haben schon Hörner ! ) und nicht zuletzt Glück notwendig. Welche Reitkunst dahintersteckt, können wir erahnen, nachdem wir in der letzten Stunde schon stolz waren, unsere Schulpferde im Schritt ( ! ) dicht um eine verbeulte Metalltonne herum lenken zu können.......... einigermassen !
Das chilenische Rodeopferd ist eine seit Jahrhunderten speziell gezüchtete Rasse mit hohen Standards. Aufzäumung, Sattel und die geschnitzten Holzsteigbügel folgen alten Traditionen. Die Cabelleros tragen zu ihrer Tracht riesige, silberne Strahlen Sporen an den Stiefeln, die so mächtig sind, dass sie , von seinem Pferd abgestiegen, den Besitzer zwingen, einen leicht tänzelnden Gang anzunehmen. Dankbar für diese wirklich authentischen Darbietungen und beindruckt von der Gelassenheit und Unerschrockenheit der Pferde fuhren wir nach Hause.

Samstag, 1. Mai 2010

Faul am Tag der Arbeit !






Was macht man an einem sonnigen Herbsttag in Santiago, wenn dieser Tag der 1. Mai ist und, für uns völlig ungewohnt, ausser ein paar Restaurants alles, wirklich alles geschlossen hat ?
Wir entschieden uns für einen Spaziergang durch den Parque Padre Hurtado, ein beliebtes Ausflugsziel für Familien, Pärchen , Hundefreunde und Jugendliche. Pater Alberto Hurtado ( 1901 - 1952) wird in Chile sehr verehrt und ist aus dem täglichen Leben nicht wegzudenken. Strassen, Schulen und mehr sind nach diesem Jesuiten und Rechtsanwalt benannt, der eine Wohltätigkeitsorganisation für obdachlose Kinder und Jugendliche gründete. Im Jahr 2005 wurde er heilig gesprochen und die Chilenen sind seitdem noch stolzer auf ihren geliebten Padre. "Sein" Park hat uns doch sehr an den Englischen Garten erinnert : Weitläufig und natürlich wirkender, alter Baumbestand, dazwischen grosse Wiesenflächen, der kleine See mit Tretbooten, ein Amphitheater und sogar die Trommler fehlten nicht ! Typische chilenische Attribute sind die "Medialuna", so heißt die halbmondförmige Rodeo - Arena, die vielen putzigen Picknicktische mit angebautem Grill, heißbegehrt und von Großfamilien bevölkert und die kleine Eisenbahn mit nostalgischer Dampflok, die bimmelnd und fauchend über das Gelände fährt. Gerd überlegt sich gerade, ob er sich vom Geburtstagsgutschein Reitstiefel oder das Pferd kaufen soll.....

Sonntag, 25. April 2010

Musikalischer Nachtrag !

Gerd`s Wunsch nach einem Abend mit Live Jazz erfüllte sich, nach kleinen Anfangsschwierigkeiten ( der von uns eigentlich ausgewählte Jazzclub war wegen schwerer Beschädigungen seit dem Erdbeben geschlossen )Freitag Nacht im La Fournil. Drei exzellente Musiker in einer wohnzimmergrossen Bar versanken völlig in ihrem Spiel. Grosse Intensität und Nähe unterstrichen noch die Komplexität dieser Stilrichtung.

Sonntag, 18. April 2010

Musikalische Highlights des Wochenendes :)

Santiago - eine Stadt ohne Musikszene ?? Um dieses immer noch herumgeisternde Vorurteil zu widerlegen , schaut euch die zwei Videoclips an ! Unterschiedlicher konnte der Kunstgenuss nicht sein, aber jedes Event für sich war einzigartig und beeindruckend. Am Nachmittag begleitete ich Simon zu einem Auftritt in dem jüdischen Seniorenheim seiner Gemeinde. Er spielte und sang für die begeisterten alten Damen, die fast alle ihre Wurzeln in Deutschland haben, das gesamte Portfolio an deutschen, hebräischen und chilenischen Volksliedern. Ich erfuhr von bewegenden jüdischen Einzelschicksalen und unterhielt mich mit Ilse, einer putzmunteren 105 jährigen. Am Ende des Films lächelt sie in die Kamera. Die Gespräche liefen auf Deutsch, englisch und spanisch, ich liebe ja dieses Sprachengemisch.....
Ein paar Stunden später sassen Gerd und ich in der Tango- Bar " El Cachafaz", was soviel wie " Der Casanova" bedeutet und konnten uns nicht sattsehen an dem stimmungsvollen Ambiente.
Die Altherren - Band bestand aus dem obligatorischen Bandoneonspieler, der ein Zwillingsbruder von Charles Aznavour hätte sein können, einem Bassisten, der mit besonderen Percussion Einlagen überraschte, dem blinden Pianisten, der mit schlafwandlerischer Sicherheit spielte und dem Sänger, der herzzerreissend und schweisstreibend ein wahrer Meister seines Faches war. Nach dem Auftritt des Profi - Tanzpaares trauten sich viele Gäste aufs Parkett und wir genossen es, oftmals überraschend kunstvoll tanzende Paare zu beobachten. Das war nun meine erste Tango Erfahrung live und ich war begeistert. Trotzdem.....Flamenco ist immer noch das Höchste..zwinkert !

Montag, 12. April 2010

Ein Samstag in Coinco







Zusammen mit 13 Chilenen brachen wir am Samstag morgen Richtung Süden auf, um in einem kleinen Dorf in der Nähe von Rancagua Holzhäuser für Erdbebenopfer zu isolieren. Bis jetzt kannten wir diese "mediaguas" nur von Bildern, nach ca. 2 stündiger Autofahrt konnten wir zum ersten Mal eine dieser Hütten selbst sehen. Coinco ist ein verträumtes Dorf, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint.Pferdefuhrwerke, stromernde Hunde, Radfahrer und Reitergrüpppchen zogen an unserem parkenden Auto vorbei. In seinen ruhigen Strässchen reihte sich ein rustikales, betagtes Adobehaus ans nächste, immer wieder unterbrochen von klaffenden Lücken , davor zusammengetragener Bauschutt von zerstörten Dächern, Mauern, oder kompletten Häusern, die durch die Erschütterungen dem Erdboden gleich gemacht wurden. Maria, eine ESO Mitarbeiterin und die Organisatorin unserer kleinen Gruppe, erzählte uns, daß über 50 Häuser in Coinco total zerstört wurden. Die Menschen hatten ihre Habe notdürftig unter Zeltplanen aufgestellt, so wie Senora Pilar, die uns schon sehnsüchtig erwartete . Von ihrem Besitz blieb nur noch das extra gebaute Badezimmer stehen. Tisch , Stühle und ein paar Küchenmöbel, Fernseher, Kleidung, das Spielzeug ihrer Enkelkinder, und auch Bobby, der Hofhund, konnten gerettet werden. Im 3 x 3 m kleinen mediagua fanden gerade ihr Bett und ein Schrank Platz. Voller Wärme und Herzlichkeit wurden wir begrüßt und temperamentvoll schilderte sie ihre Erlebnisse, völlig ohne Bitterkeit, was uns sehr beeindruckte. Sie war unendlich dankbar , es hätte ja noch viel, viel schlimmer kommen können, so versicherte sie uns mehrmals. Gerd`s und meine Aufgabe bestand darin, die Innenwände mit passend zugeschnittenem Styropor zu verkleiden und wir vertieften uns eifrig ins Abmessen, Sägen und Anbringen der unterschiedlich grossen Rechtecke zwischen den inneren Holzbalken. Unser Augenmass wurde mit der Zeit immer besser und wir kamen gut voran. Es machte richtig Spass und wir gerieten fast in einen Styroporrausch, überall hafteten die weissen Kügelchen......Die anderen voluntarios unserer kleinen Truppe schraubten grosse Spanplatten über die fertig isolierten Wände und man merkte sofort die angenehme Wärme , die sich ausbreitete. Jetzt, im Spätherbst, sind die Nächte hier schon empfindlich kühl und es wurde höchste Zeit, die Häuschen fertig zustellen. Senora Pilar brachte jedem voluntario ein saftiges Melonenstück und nach einer kurzen Pause gings weiter. Im Speisesaal der Volksschule hatte Maria mit ihren Mädels inzwischen einen kleinen Lunch , bestehend aus Tomaten - Sandwich und Erbsensupe vorbereitet, den wir zusammen mit den anderen Gruppen hungrig verzehrten. Danach arbeiteten wir noch bis nach Einbruch der Dämmerung weiter. Leider konnten wir nicht die komplette Isolierung fertigstellen, da noch Material fehlte. Aber immerhin hatten wir alle 4 Wände, Fenster und Tür geschafft. Gerd und ich machten uns dann auf den Heimweg. Senora Pilar drückte uns an ihren üppigen Busen und umarmte uns so fest, dass wir kaum Luft bekamen.....es war ein herzergreifender Abschied, an dessen Ende sie uns noch zwei selbstgebackene Stück Kuchen in die Hand drückte. Ein bisschen müde, aber überaus zufrieden
und glücklich fuhren wir nach Hause. Es war sicher nicht viel, was wir in diesen wenigen Stunden tun konnten, aber wenigsten haben wir dazu beigetragen, dass ein Mensch von nun an nicht mehr nachts frieren muß......

Mittwoch, 7. April 2010

Oster " Spaziergang " am Strand von Zapallar








Dieser kleine, verträumte Badeort, ca. 1,5 Autostunden von Santiago entfernt, begeisterte Gerd, Martina, Franziska und mich gleichermassen. Zwischen alten mächtigen Bäumen , in üppigen Gärten verstecken sich ansehnliche Villen aus unterschiedlichen Epochen, vom altehrwürdigen Haus mit Schindeldach bis zu modernen Bauten aus spiegelndem Glas. In der kleinen Sandbucht schaukeln bunte Fischerboote und Pelikane dösen träge in der Sonne. Dort beginnt ein in die Uferfelsen geschlagener Weg, den Strand entlang, der spektakuläre Ausblicke im Grossen wie im Kleinen bietet....... Eine wilde unberechenbare Brandung donnert unablässsig an wie von Riesenhänden geformte Steine. Zwei Gedenktafeln erinnern an junge Leute, die hier von einer plötzlichen Monsterwelle ins Meer gezogen wurden...... Obwohl wir uns danach nur auf scheinbar sichere, erhöhte Felsen setzten, leckten die letzten Ausläufer einer Welle noch nach unseren Schuhen. In diesem Moment war es uns tatsächlich etwas mulmig ! Viele Felsen zeigen ein löchriges Wabenmuster, das bestimmt jeden Geologen entzückt hätte. Dazwischen immer wieder Brackwasser , in dem neongrüne Algen wogen, riesige stahlblaue Agaven und verschiedene Sukkulenten Arten. Zwischen all der chilenischen Fauna entdecken wir plötzlich einen kleinen Hubschrauber, der friedlich auf seinem Rondell unterhalb einer Strandvilla steht. Franziska witzelt : Schaut mal, da oben auf dem Balkon, ist das nicht Pinera ? ( Chile`s neugewählter Präsident ) Wir kamen der Realität schon nahe, Pinera besitzt ein Haus im benachbarten Ort, ebenfalls mit Hubschrauberlandeplatz. Wie wir später erfuhren, gehört aber dieses Haus inklusive Flugteil einem Deutschen , der die Mercedes Vertretung in Chile hat.....wen wunderts, seufz...
Auf der Ruta 5, die ein Teil der berühmten Panamericana ist, fuhren wir, angefüllt mit Sonne, Wind und unvergesslichen Eindrücken nach Santiago zurück. Je näher wir der Metropolitana kommen, desto mehr zerstörte Fußgängerbrücken liegen rechts und links der Autobahn.....das Erdbeben ist allgegenwärtig....Heute vormittag gab es wieder zwei kurze, aber sehr deutliche Stösse, die Fußboden und Einrichtung erzittern liessen.